Zehn anonyme Geldgeschenke in Höhe von jeweils 50 EUR wurden von mir in zehn Briefkästen in verschiedenen Stadtteilen in Berlin eingeworfen. Die Besitzer der Kästen waren mir unbekannt, deren vermutete soziale Herkunft spielte keine Rolle. Die verschlossenen Briefumschläge enthielten neben dem Geldschein eine, auf der Vorderseite mit einer Schleife bedruckte Karte. Auf der Rückseite standen die Worte: NICHTS IST UMSONST, mit herzlichen Grüßen. Mit diesem Geschenk blieben die Empfänger sich selbst überlassen.

Schenken ist ein nachhaltig wirksamer Vorgang. Ein Geschenk ist definiert als Übertragung von Eigentum an einer Sache oder an einem Recht an eine andere Person - eigentlich ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Aber selbst die Gesetzgebung setzt bezüglich einer Schenkung zumindest Dankbarkeit voraus. Bei entsprechender Verfehlung greift der „grobe Undank“ (BGB § 530). Ein Geschenk ist mitnichten umsonst.

Bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt ist ein Geschenk in der Lage, sozialen Druck auf den Beschenkten auszuüben. Da es gilt, den sozialen Status zu wahren, geschieht das Schenken nicht immer freiwillig. Ein angenommenes Geschenk ist eine soziale Sanktion und verlangt nach einer entsprechenden Antwort. Es erzeugt Verpflichtungen und manifestiert Hierarchien. Eine bereits erwartete Gegenleistung ist erforderlich, um sich aus der eingegangenen Schuld wieder zu befreien. Dies kann z.B. unmittelbar durch Dankbarkeit, Emotionalität, soziale Bindungen, ein Gegengeschenk gleicher Wertigkeit, aber auch mittelbar durch Steuerersparnis, gesellschaftliche Achtung, Lob vom „Überich“ oder der „Gnade Gottes“ erfolgen. Nach Heidegger sollte hinter einem Geschenk das Ideal, sich selbst zu geben, stehen. In diesem Sinne wäre ein Geschenk eine Gabe mit Hingabe.

NICHTS IST UMSONST fragt nach der Möglichkeit, Reziprozität – soziale Formen gegenseitiger Abhängigkeit - zu vermeiden. Lässt sich beispielsweise Geld verschenken, ohne einen persönlichen Vorteil davon zu haben oder Macht zu manifestieren? NICHTS IST UMSONST ist ein Geschenk, das Antworten verweigert und gleichermaßen ein Impuls, der Fragen herausfordert. Alles andere ist reine Spekulation.